Mentale Unterstützung in der Tiermedizin
Beitrag 2:
Mut zur Offenheit:
Was ich beim ersten Ausbildungstag bei der VETHiLFE lernte
Noch vor dem ersten Ausbildungstag habe ich meine Gedanken für diesen zweiten Artikel
gesammelt. Als ich von dem Verein der Vethilfe hörte, hatte ich direkt gedacht:
„Wie großartig, dass es diese Hotline 2025 endlich gibt!“
„Großartig, dass das Konzept auf Mitarbeitende in der Veterinärbranche zugeschnitten ist, wo wir
doch sooft mit unserer psychischen und physischen, mehr als durchschnittlich, belastenden Arbeit
oft untergehen und übersehen werden!“
Erste Gedanken: Begeisterung und Entschlossenheit
Direkt habe ich den Mitgliedsantrag ausgedruckt und zurückgeschickt, „Natürlich bin ich dabei!“
„Das Ding braucht Unterstützer, helfende Hände und Engagement von physisch starken
Menschen!“...ging mir durch den Kopf
Auf keinen Fall zahlst du nur den Mitgliedbeitrag, du lässt dich natürlich als Helfende am Telefon
ausbilden!...kein einziger Zweifel kam in diesem ersten Moment auf.
Ups: Ist das wirklich die richtige Entscheidung?
Ups: Ist das wirklich die richtige Entscheidung?
Damals war ich voller Zuversicht: ‚Das wird großartig!‘ Keine Zweifel, nur das Gefühl, mich für eine
wichtige Sache zu engagieren.
Aber jetzt, kurz vor dem ersten Ausbildungstag, kamen plötzlich Bedenken: ‚Hoffentlich habe ich
mich da mal nicht überschätzt!‘
Erste Begegnung: Die Einführung in die Ausbildung
Am vergangene Samstag war es dann so weit, 24 Freiwillige haben sich zur ersten Session online
eingefunden.
Irgendwie hatte ich mir das theoretischer vorgestellt, als es letztendlich war. Komisch, dass ich das
erwartet hatte, wo doch die Arbeit bei einer Seelsorge ziemlich sicher alles andere als theoretisch,
planbar und kalt strukturiert ist – da ist wohl noch einmal die tiermedizinische Studierende in mir
aufgeploppt, die nächtelang Bücher, Listen und Schaubilder auswendig lernen musste.
Nach einer kleinen Einführungsrunde ging es schon in die erste Übung: Breakoutsession mit einer
weiteren Person, die mich nach Beantwortung der mich berührenden Fragen offiziell in der Runde
vorstellen sollte:
Hoppala habe ich gedacht, das ist jetzt aber mal ganz schön übergriffig…gleich beim ersten Termin
einer mir völlig unbekannten Person auf so persönliche Fragen antworten? Was geht denn hier ab?
Aber genau das war eine so wichtige Erfahrung! So fühlt es sich wohl an, wenn man sich auf der
Anruferseite der Hotline befindet, und im Begriff ist die Nummer der Vethilfe zu wählen.
Adrenalin pur mit einem Gedankenkarussels im Highspeedmodus:
„Möchte ich das wirklich? „
„Möchte ich jemandem meine intimsten Gedanken preisgeben? Völlig unbekannt?“
„Was passiert danach?“
„Wie wird mein Gegenüber mit meinem Herzens- und Seeleninhalt umgehen?“
„Was, wenn das nicht wertschätzend, sensibel und rücksichtsvoll geschieht?“
Erkenntnis: Offenheit als Schlüssel zur Unterstützung
Es war eine dieser Erfahrungen, die mich aus meiner Komfortzone holten – und mich gleichzeitig
daran erinnerten, wie wichtig es ist, sich selbst zu öffnen.
Atmen, hineinfühlen und die Situation annehmen.
Denn nur wenn wir uns selbst mit all
unseren Schwächen und Ängsten zeigen, können wir wirklich mit anderen auf einer tiefen Ebene in
Verbindung treten.
Im Geheimen wissen wir vermutlich alle, dass so ziemlich jeder in seinem Leben schon mal ein Tief
hatte, so tief, dass es einen fast zerrissen hat. Aber wer erzählt das schon im Alltag? Nur zu oft
denken wir doch, dass der Schmerz, den wir gerade erleben und aushalten müssen nur uns betrifft.
Tatsächlich war es für mich beruhigend zu hören, dass jede in der Gruppe schon einmal nicht ganz
einfache Situationen durchstehen musste-ich bin also nicht allein.
Einmal mehr hat diese Erfahrung mir gezeigt, dass wenn ich offener bin, meine Mitmenschen wissen,
wie es in mir aussieht, dann können sie meine Handlungen und Emotionen besser verstehen.
Trotz dieses Zwiespaltes und der Gedankenachterbahn in mir fühle ich mich absolut richtig in diesem
Projekt.
Denn, meiner Meinung nach wird die Vethilfe nicht nur die Anrufenden unterstützen, es bringt auch
mich persönlich in meinem Leben mit meinen Mitmenschen weiter - davon bin ich überzeugt.
Die Ausbildung wird mir helfen, noch mehr zwischenmenschlich zu wachsen, mich noch besser
auszudrücken zu können und sie wird meinen Blick schulen, besser auf mein Gegenüber zu achten
und dies wertzuschätzen - da bin ich ganz sicher.
Fazit: Persönliches Wachstum und die Bedeutung der Ausbildung
Die Arbeit, die die beiden Ausbilder leisten, ist eine ganz großartige, sie haben uns allen in den drei
Stunden gezeigt, dass wir nur helfen können, wenn wir auch selbst unsere Gefühle aussprechen und
uns ihnen stellen. Nur so können wir die Gedanken verstehen, die Hilfesuchende an der Hotline mit
uns teilen.
Ich bin gespannt, wie sich diese Ausbildung weiterentwickelt und welche Erfahrungen mich noch
erwarten – auf jeden Fall wird es eine Reise voller persönlicher Erkenntnisse und neuer Perspektiven.
Bis bald
Eure Elisabeth
Beitrag 1:
Mein Weg als Freiwillige bei VETHiLFE e.V.
Hey,
mein Name ist Elisabeth (*Name geändert), und ich möchte euch ab heute mit meinem Ausbildungstagebuch über meine Ausbildungszeit zur Freiwilligen für die Kummernummer des Vereins VETHiLFE e.V. eintauchen lassen – ein bisher in Deutschland noch nicht dagewesenes und doch so wichtiges Konzept von tiermedizinischem Fachpersonal für tiermedizinisches Fachpersonal.
Die VETHiLFE e.V. wurde in diesem Jahr, in Anlehnung an das Modell Vetlife aus Großbritannien, gegründet. Ziel beider Organisationen ist die mentale Unterstützung unserer schwer belasteten Berufsgruppe mittels einer Telefonhotline, an der man anonym über seine Sorgen und Probleme sprechen kann.
Feuer und Flamme für die Idee
Als ich vor ein paar Wochen von der VETHiLFE e.V. hörte, war ich direkt Feuer und Flamme. Schon lange denke ich, dass wir TierärztInnen und unsere Unterstützer in der Praxis wie TFAs, Azubis und spartenfremden HelferInnen zu oft Stresssituationen und Informationen ausgesetzt sind, die im familiären Umfeld nur schwer oder gar nicht verarbeitet werden können.
Fast täglich lese ich Texte von KollegInnen, die ihren Beruf lieben, aber dem mentalen Druck nicht mehr gewachsen sind
Die Posts in Social Media rufen in den letzten Monaten in mir immer häufiger ein beklemmendes Gefühl hervor.
Das Problem ist meiner Meinung nach nicht fehlende Resilienz. Wer TiermedizinstudentInnen kennt, weiß, dass man ohne genügend Ausdauer, ein starkes Nervenkostüm und einen guten Umgang mit Stress gar nicht durch das Studium kommt. Es ist u.a. vielmehr der sich über die Jahre steigende Druck der BesitzerInnen, der auf unser aller Schulter drückt.
Die emotionale Bindung zu unseren Haustieren wächst und das ist auch gut so. Allerdings steigt, gefühlt überproportional dazu, die Anzahl der Gedanken in den Köpfen der PatientenbesitzerInnen, dass TierärztInnen nicht als DienstleisterInnen angesehen werden. DienstleisterInnen, die mit ihrem abgeschlossenen Studium ihren Lebensunterhalt und ihre Altersvorsorge verdienen müssen. Vielmehr wird der Beruf als eine Art Passion angesehen, bei dem es als unethisch gilt , mit seinem Wissen Geld verdienen zu wollen.
Tierwohl wird immer dann sehr großgeschrieben, wenn Tiere gerettet werden und die Praxis die Kosten bitte niedrig halten soll. Ebenso die Inflation und deren Folgen werden nur zu gerne als Druckmittel bei der Bezahlung der Rechnungen genutzt.
Gerade kürzlich stand bei mir in einer Überweisung im Textfeld der Kommentar: "gesalzene Rechnung, bald kann sich niemand mehr einen Tierarzt leisten". Wirklich eine seltsame Art der Kommunikation. Solche Dinge belasten uns alle on top, wir sind ein schnelles Ventil für den Ärger der BesitzerInnen, und schaden uns deutlich mehr als sie nützen.
Ein spannendes halbes Jahr
Ich bin froh, ab Dezember ein Teil der VETHiLFE-Seelsorgergemeinschaft in Ausbildung zu sein. Ein spannendes halbes Jahr liegt vor uns und hoffentlich kann ich euch mit meine Ausbildungstagebuch neugierig auf das Projekt der Hotline machen.
Ich freue mich darauf, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die so dringend gebraucht wird
Kommt gut durch die, gefühlt immer stressiger werdende, Weihnachtszeit und passt auf euch auf.
Falls ihr tatsächlich noch etwas Zeit übrighaben solltet, freue ich mich, wenn ihr bei uns auf der Seite reinschaut. Vielleicht sucht der eine oder andere von euch noch ein Spendenziel.
Alles Liebe und bis bald,
Elisabeth
P.S: Unsere Hotline ist erst im nächsten Jahr erreichbar, wenn ihr vorher Hilfe braucht, oder ein Ohr, das euch zuhört, wendet euch bis dahin an die Telefonseelsorge unter den Nummern: 08001110111 und 08001110222.
Unsere erste Ausbildungsrunde startet am 07.12.24! Und es sind alle Plätz belegt! (sind das nicht tolle Neuigkeiten:-D)
Du kannst Dich aber gerne für die zweite Runde anmelden:
Für weitere Informationen lade hier unseren Infobrief herunter.
Du möchtest dabei sein? Hier geht’s zum Mitgliedsantrag plus Anmeldung!